Tik Tok - der nächste Hebel im eCommerce?

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Lassen sich über TikTok auch Produkte verkaufen? Diese Frage stellen sich immer mehr Shopbetreiber. Zu Recht, denn die chinesische Kurz-Video-Plattform liefert reichlich Stoff für Spekulationen.

Im vergangenen Sommer berichtete Adweek, dass die US-amerikanische Supermarktkette Kroger eine neue E-Commerce-Funktion testen durfte. Es handelte sich um eine Hashtag-Challenge, die mit einer speziellen Markenseite kombiniert wurde, auf der Produkte von Kroger eingeblendet wurden. Beim Klick auf ein Produkt gelangte man in den Online-Shop der Supermarktkette. Und im November tauchte auf Twitter ein Video auf, das zeigte, dass TikTok nun einigen Anbietern erlaubt, einen anklickbaren Link in die Bio einzufügen, ebenso war ein Link im Video zu sehen, der auf eine E-Commerce-Site führte.

Advertising-Angebote werden ausgebaut

Um es vorsichtig zu formulieren: Diese Indizien deuten darauf hin, dass TikTok den Themen E-Commerce beziehungsweise Social Commerce durchaus aufgeschlossen gegenübersteht. Gut möglich, dass sich die Plattform eines Tages als E-Commerce-Traffic-Lieferant im Marketing-Mix von Shopbetreibern etablieren kann. Schon heute zieht die App vor allem große Marken magisch an. Besonders attraktiv ist das rasante Reichweiten-Wachstum.

Im August 2018 aus der Social-Video-App Musical.ly hervorgegangen, zählt TikTok weltweit mehr als 800 Millionen aktive Nutzer, in Deutschland sollen es bereits 5,5 Millionen sein. Tendenz stark steigend. Gleichzeitig baut der chinesische Betreiber Bytedance seine Werbeangebote konsequent aus. Das Angebot umfasst mittlerweile fünf Kernprodukte: Brand Takeover, In-Feed Videos, Branded Lenses, Top View und Branded Hashtag Challenge. In-Feed-Videos und Branded Lenses funktionieren ähnlich wie in anderen Netzwerken. Beim Brand Takeover wird für 3 bis 5 Sekunden Werbung im Vollbildmodus angezeigt, sobald der Nutzer die App öffnet. Ähnlich funktioniert Top-View, hier wird beim ersten Kontakt ein Video-Spot ausgespielt, der maximal 15 Sekunden lang ist.

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Klarer Liebling der Nutzer sind aber die Hashtag-Challenges, bei denen Herausforderungen unter einem bestimmten Hashtag inszeniert und verbreitet werden. Es wird gesungen und getanzt und entsprechend viel gute Laune verbreitet. Als Branded Hashtag-Challenge können Marken diese positive Stimmung und die Aktivität der TikToker nutzen, um die eigene Marke in einer sehr jungen Zielgruppe zu positionieren. BMW, Punica und einige andere haben bereits erste Kampagnen gefahren.

Käufer von morgen umwerben

Vor allem die üblicherweise nur schwer erreichbare Generation Z tummelt sich hier: TikTok zufolge sind 69% der Nutzer jünger als 25 Jahre. Rund 27% sind sogar erst zwischen 13 und 17 Jahre alt. Für E-Commerce-Firmen ist das eine sehr gute Gelegenheit, die Digital Natives schon frühzeitig abzuholen und ihre Marke ins Bewusstsein zu rücken.

Der Online-Händler OTTO hat dies erkannt und bereits gute Erfahrungen gesammelt. Im Rahmen seiner Weihnachtskampagne startete OTTO auf TikTok eine Branded Hashtag Challenge, die mit einem Marken-Filter kombiniert wurde. Der Filter funktionierte wie ein Spielautomat. Das wurde genutzt, um auf Otto.de aufmerksam zu machen. In einem Textfeld liefen die Namen ungewöhnlicher Produkte des Online-Shops durch, hob ein User die Hand bliebt der Automat bei einem Produktnamen stehen. Eine durchaus ausgeklügelte Kampagnen-Mechanik. Auch wenn hier keine Produkte verkauft oder verlost wurden – der Fokus lag vielmehr auf Awareness in der jungen Zielgruppe und Interaktion ­– zeigt die Aktion das Potenzial, dass TikTok schon heute E-Commerce-Unternehmen bietet. Außerdem kooperierte OTTO mit mehreren TikTok-Influencern, nutzte Brand Takeover und In-Feed-Videos.

Nur WhatsApp ist beliebter

In einer Challenge angezeigte Produkte auch „shopable“ zu machen, dürfte für TikTok nur ein kleiner Schritt sein. Hier darf man auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein. Ob Influencer ebenso für E-Commerce-Ziele eingesetzt werden können wie auf Instagram, bleibt ebenfalls abzuwarten. Bisher besteht die erste Hürde oft schon darin, passende TikTok-Influencer zu finden. Während sich für Instagram zahlreiche Agenturen und Plattformen etabliert haben, um Reichweiten, Themen und Zielgruppen zu selektieren, steht TikTok hier erst am Anfang. Doch das kann sich schnell ändern, schließlich war TikTok laut Sensor Tower mit 738 Millionen Downloads weltweit die im Jahr 2019 am zweithäufigsten heruntergeladene App. Nur WhatsApp war noch gefragter und erzielte 849 Millionen Downloads.

Aber nicht nur aufgrund seiner Beliebtheit und der rasanten Veränderungen auf der Plattform sollten Online-Händler TikTok unbedingt im Blick behalten: In der Vergangenheit sah sich TikTok Vorwürfen ausgesetzt, man würde Nutzergruppen diskriminieren, Inhalte zensieren oder den Datenschutz nicht einhalten. TikTok hat öffentlich Stellung bezogen und solche Vorwürfe dementiert. Nutzer sind momentan von der Plattform ebenso begeistert wie Marketer. Aber die Stimmung könnte schnell kippen und die aufstrebende, schillernde App Kratzer bekommen, noch bevor sie für Werbetreibende richtig abhebt.