Corona: Warum Marken und Shopbetreiber jetzt einen Blick auf Twitch werfen sollten
Schulen und Büros sind geschlossen, Kontaktverbot. Das Corona-Virus hat das gesellschaftliche Leben fest im Griff. Und je mehr das private Leben eingeschränkt wird, desto stärker werden Online-Plattformen genutzt. Nicht nur, um digital zusammenzuarbeiten: Online-Händler melden Rekordbestellungen und auf den Streaming-Portalen steigen die Nutzerzahlen. Insbesondere das zu Amazon gehörende Live-Streaming-Portal Twitch könnte gestärkt aus dieser weltweiten Krise hervorgehen. So sind die Nutzerzahlen auf Twitch in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen – und sie steigen weiter. Zählte Twitch im Dezember noch durchschnittlich 1,18 Millionen gleichzeitige Zuschauer, waren es im Februar 2020 bereits 1,48 Millionen. Die Märzzahlen lagen schon zur Monatsmitte darüber. Als Werbeplattform wurde Twitch bisher unterschätzt. Aber das dürfte sich schnell ändern, sobald die Krise überwunden ist.
Mit Gaming-Übertragungen ist Twitch bekannt geworden. Doch mittlerweile bietet die Plattform weit mehr als Fortnite, Call of Duty oder Counter-Strike im Live-Stream. Das Portfolio wächst, ebenso die Kanalvielfalt: Von Flüster-Videos (ASMR) über Musik und Videoblogs bis hin zu Backen, Kunst und Kochen wird alles live gestreamt. Pro Tag zählt Twitch über 15 Millionen verschiedene Besucher und mehr als 3 Millionen Creators streamen jeden Monat ihre Inhalte. In Corona-Zeiten kommen nun neue Ideen hinzu, beispielsweise spontane Kaffee-Streams oder Live-Übertragungen vom Renovieren.
Twitch sichert sich Frauenfußball-Übertragungsrechte in den USA
Neben den kreativen Ideen seiner Streamer baut Konzernmutter Amazon die Angebote auch selbst aktiv aus. So verkündete am 11. März die Nationale Frauenfußballliga (NWSL) der USA, das neben CBS Sports auch Twitch Übertragungsrechte für die nächsten 3 Jahre erworben habe. Demnach wird Twitch 24 ausgewählte Spiele live übertragen. Gleichzeitig wird Amazons Live-Streaming-Plattform als exklusiver internationaler Medienrechtspartner der NWSL außerhalb der USA fungieren und alle 108 regulären Saisonspiele und Playoffs den globalen Zuschauern zur Verfügung stellen. Für E-Sports ist Twitch bereits heute die wichtigste Streamingseite weltweit. Mit den neuen Übertragungsrechten treibt Twitch nun auch im Bereich klassischer Sportveranstaltungen sein Engagement weiter voran.
Für Werbetreibende eine interessante Entwicklung. Das Sponsoring dürfte damit mittelfristig auf der Plattform an Bedeutung gewinnen. Viele bekannte Streamer oder E-Sports-Teams finanzieren sich schon heute auch mit Hilfe von Sponsoren und Werbepartnerschaften. Beispielsweise sind Gamer nicht nur für Hardware- und Ausrüstungsanbieter eine lukrative Zielgruppe: Anbieter von Energydrinks, Nahrungsergänzungsmitteln oder Bestell-Services umgarnen die Live-Zuschauer.
Marken via Game inszenieren, Produkte spielerisch bewerben
Der Streamer steht auf Twitch im Mittelpunkt. Er ist der Influencer, der die Massen anzieht und von Marken gebucht werden kann. Wenn er sich mit seinem markanten Headset aus seinem Gaming Seat mit dem Markenschriftzug hervorbeugt, hat die Kamera alles im Bild. Ein kleiner Schluck vom Erfrischungsgetränk – alles wird live gesendet. Kleidung und Hintergrund bieten zusätzliche Werbefläche. Im Stream selbst können Marken ebenfalls werben, sogar in dem am Bildrand durchlaufenden Live-Chat lassen sich Markenbotschaften platzieren, beispielsweise wenn sich Zuschauer nach dem benutzten Equipment erkundigen.
Selbstverständlich bietet Twitch auch „normale“ Online-Werbung an, beispielsweise klassische Medium Rectangle oder diverse Video-Formate. Doch die Twitch-Community gilt als eingeschworene Gemeinschaft, Authentizität ist hier sehr wichtig. So wundert es nicht, dass Werbetreibende versuchen, sich dem Twitch-Universum anzupassen und die Möglichkeiten für kreative Aktionen nutzen. Beispielsweise war Versandhändler Otto in der Vorweihnachtszeit mit einem „Loot Drop“ unterwegs: In Kooperation mit einem Gamer blendet der Onlinehändler mitten in dessen Livestream Produkte ein, die vorher im Chat als Weihnachtsgeschenke thematisiert wurden – wer das Produkt zuerst nannte, gewann es.
Einen ganz anderen Weg ging Porsche. Der Autobauer machte sich die spielerischen Elemente und die Interaktionsmöglichkeiten der Plattform zunutze. Um erstmals seinen E-Rennwagen 99X Electric zu präsentieren, veranstaltete der Autobauer eine vierstündiges Live-Videospiel auf Twitch. Zwei Porsche-Werksfahrer wurden von den Zuschauern angeleitet, um das Auto zu finden. Dazu musste die Community unter anderem Rätsel und Puzzles lösen. Rund 1 Million Zuschauer waren bei der Fahrzeugenthüllung live dabei.
Die Beispiele zeigen: Distanz wahren und trotzdem soziale Kontakte pflegen – das funktioniert. Und man kann sogar gemeinsam dabei Spaß haben. Auf Twitch wird dies schon immer so zelebriert. Das kann dem Portal in diesen schweren Zeiten weiteren Zulauf bescheren. Und wer als Nutzer jetzt Gefallen an Live-gestreamten Inhalten findet, dürfte künftig über klassische Kanäle noch schwerer erreichbar sein. Nicht nur Marken, auch Online-Händler sollten diese Entwicklung im Blick behalten, denn eines ist sicher: Es wird eine Zeit nach Corona geben. Streaming und E-Commerce könnten zu den wenigen Siegern der Pandemie zählen und gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.