Von der Erfahrungs- zur Lernökonomie: Warum die Erfahrung von Konzernen an Wert verliert und wie Startups davon profitieren
„Diese ganzen Startups sind für uns keine Konkurrenz– die kennen und verstehen unsere Branche nicht“
Noch immer hören wir in Diskussionen mit alteingesessenen Unternehmen solche und ähnliche Sätze, wenn wir mit ihnen über den Einfluss von Digitalisierung und veränderten Wettbewerb auf ihre Branche sprechen. Beim Glauben, dass alleine die langjährige Erfahrung mit und in einer Branche ein hinreichender Wettbewerbsvorteil in Zeiten rasanten digitalen Wandels handelt es sich um eine Fehleinschätzung mit wohlmöglich fatalen Folgen.
Erfahrung als Markteintrittsbarriere
Richtig ist: in der Vergangenheit war Branchenerfahrung ein hoch relevanter Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die schon lange in einer Branche aktiv waren, konnten über die Jahre ihr gesamtes Geschäft optimieren:
Sie verfügten über die besten Kundenkontakte und häufig langjährige Vertragsbeziehungen
Sie konnten Lieferantenkonditionen über Jahre optimieren
Sie konnten über lange Zeit nahezu Unternehmensprozesse immer stärker optimieren und somit Effektivität und Effizient erhöhen
Sie konnten Mitarbeiter stetig weiter qualifizieren und somit die besten
In der Regel war es so, dass ein Unternehmen je langer es am Markt war, auch umso besser alle diese Bereiche für sich nutzen und damit durch Erfahrung Markteintrittsbarrieren für mögliche neue Wettbewerber schaffen konnte.
Von der Erfahrungsökonomie zur Lernökonomie
Dieser Wettbewerbsvorteil jedoch verschwindet in dem Moment, in dem Digitalisierung dafür sorgt, dass sich viele, teilweise sogar beinahe sämtliche Rahmenbedingungen, die eine Branche ausmachen, dramatisch verändern. Auf einmal entsteht eine Marktsituation, mit der kein Anbieter, egal ob jung oder alt, Erfahrung hat. Die auf vergangene Rahmenbedingungen optimierten Prozesse passen nicht mehr zur neuen Unternehmensumwelt. Neue Technologien, Anbieter und Methoden bekommen Relevanz. Kundenbedürfnisse verändern sich.
Und auf einmal verschwinden die bisherigen Wettbewerbsvorteile mehr und mehr, da neue Rahmenbedingungen entstehen, mit denen kein Marktteilnehmer umfassende Erfahrung hat.
Natürlich sind eine Reihe der bisherigen Kompetenzen und Prozesse nach wie vor relevant. Kundenbeziehungen und -vertrauen gehen durch Digitalisierung nicht automatisch verloren, Lieferantenkontakte und -konditionen bleiben weiter wichtig. Gleichwohl ist es so, dass Digitalisierung zu massiv veränderten Prozessen führen, Kundenakquisition verändern, Transaktionskosten senken und Produktion, Produkte sowie Kundenanforderungen verändern kann.
Digitalisierung verändert also Branchenumwelten und schafft erst durch den Wegfall des komparativen Vorteils „Erfahrung“ die strategischen Lücken, die es neuen Anbietern in dem Moment einfach machen, sehr viel einfacher machen, eine Branche einzutreten als unter zuvor stabilen Marktgegebenheiten.
Wenn Erfahrung also an Bedeutung im Wettbewerb gewinnt – welche Faktoren sind es dann, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden?Es kommt weniger auf Marktkenntnis sondern vielmehr auf die Frage an, wer im Markt in der Lage ist, diese neuen Faktoren schneller als andere zu erkennen und zu lernen, welche Möglichkeiten hieraus entstehen. Da nahezu alle diese Veränderungen technologie- und datengetrieben sind, sind es hier häufig junge Startups ohne Branchen-Expertise, die deutlich schneller in der Lage sind, hierauf zu reagieren und erfolgreiche digitale Lösungen zu entwickeln, mit denen sie es schaffen, eine bestehende Industrie zu verändern.
Etablierte Unternehmen sollten sich in diesem Zusammenhang die Fragen stellen:
Wie gelingt es, das notwendige Technologie- und Daten-KnowHow aufzubauen, das Startups häufig tief in ihrer DNA haben, um hier keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden?
Wie können Strukturen geschaffen werden, in denen es gelingt, mit der Geschwindigkeit der neuen Wettbewerber mitzuhalten?
Diese und andere Fragen und Herausforderungen rund um die Digitalisierung in Ihrer Branche diskutiere ich gerne auch mit Ihnen im Rahmen von Beratungsprojekten unserer Agentur Finc3 und in Vorträgen und Keynotes (mehr dazu hier)